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Historisches: Wie kam die Gartenstadt zu Objekten in Alt-Rüppurr?

Die Geschichte der Gartenstadt-Hausgruppe Lützow- und Rastatter Straße

Von Wolfgang Gerstberger

 

Bei der Durchsicht alter Dokumente fand ich einen Rundbrief vom 15. November 1920 an alle Mitglieder der Gartenstadt mit der Mitteilung, dass zum 1. April 1921, 78 Wohnungen zu vergeben sind, „ein Teil dieser Wohnungen ist in der Gartenstadt, ein Teil an der Lützow- bezw. Rastatter Straße in Rüppurr“. Angeboten wurden also Wohnungen außerhalb des Gartenstadtareals. Die Suche nach Informationen über diese Hausgruppe führte mich schließlich zu einem Hinweis in der Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum der Gartenstadt von 1932:

Diese Wohnungen gingen nach ihrer Fertigstellung (1921) in den Besitz der Gartenstadt über.  …..“ Als zusätzliche Erläuterung: „Infolge der nach dem Krieg bestehenden großen Wohnungsnot hat die Stadtgemeinde an der Rastatter und Lützowstraße insgesamt 38 Wohnungen erstellt und zwar 12 Etagen- und 26 Reihenhauswohnungen“.

Genauere Informationen über die Veranlassung der Gartenstadt zur Übernahme dieser Wohnungen und Häuser waren zunächst nicht zu finden. Die Suche in den damaligen Geschäftsberichten war ergebnislos, da während der Inflationszeit 1920 bis 1923 aus Kostengründen keine Berichte gedruckt werden konnten. Erst im Geschäftsbericht von 1924 erfolgte ein kurzer Hinweis „Die Gartenstadt umfaßt nunmehr insgesamt, mit den Häusern an der Rastatter und Lützowstraße, 397 Wohnungen.“

Die alten Sitzungsprotokolle der Gremien Vorstand und Aufsichtsrat erbrachten schließlich, wie schon manches Mal bei anderen Berichten, ein aufschlussreiches Bild über das damalige Geschehen.  

Der große Bedarf an Wohnungen nach dem 1. Weltkrieg konnte auf Grund der schlechten  wirtschaftlichen Verhältnisse weder von privaten Bauherrn noch von Wohnbauunternehmen in ausreichendem Maß befriedigt werden. Im Zuge der Einführung der staatlichen Wohnraumbewirtschaftung ergriff die Stadt Karlsruhe die Bauinitiative und errichtete als erste bauliche Maßnahme zur Verbesserung der Wohnungsnot eine Kleinhaussiedlung zwischen Gottesauer- und Kriegstraße, heute Lohfeldsiedlung. Geplant von den Architekten Pfeiffer und Großmann, die 1907 Gründungsmitglied der Gartenstadt waren und 1911/12 auch Häuser dort geplant hatten.

Als weitere Maßnahme der Stadt wurden in der Lützow- und Rastatter Straße, in fast identischer Ausführung wie in der Lohfeldsiedlung, Kleinhaus- und Geschoßwohnungen errichtet, diesmal geplant vom Städt. Hochbauamt. Im Bauantrag ist vermerkt: „Zweck des Neubaus: Linderung der bestehenden Wohnungsnot“. Da die Stadt in Rüppurr aber keine Wohnbewirtschaftung betreiben wollte, suchte sie für diese Aufgabe ein Wohnungsunternehmen, und die Anfrage ging an die noch junge Gartenstadt-Genossenschaft.

Nach Willen der Stadt sollte die Gartenstadt diese Häuser in ihren Bestand eingliedern und aus ihrem gesamtwirtschaftlichen Ertrag heraus refinanzieren. Die Gartenstadt hingegen stimmte der Übernahme nur zu, wenn die Refinanzierung ausschließlich mit dem Erlös aus den übernommenen Häusern geschieht, ohne buchhalterische Verbindung mit der bestehenden Gartenstadt, und so eine evtl. mögliche finanzielle Belastung der noch jungen Genossenschaft ausschließen.

So lief die wirtschaftliche Behandlung dieser Wohnungen in der Folgezeit immer eigenständig, ohne Verbindung mit den Geschäften der Genossenschaft. Da dieses Verfahren nicht in den jährlichen Geschäftsberichten auftaucht, ist auch die Dauer der Rückzahlungen nicht nachvollziehbar und nicht zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt die Hausgruppe ganz in der Gartenstadt aufgenommen wurde. Möglicherweise war die Rückzahlung bereits in den undefinierbaren Folgejahren der stetigen Geldentwertung der Inflation erfolgt. Heute jedenfalls sind sie Teil der Gesamtgartenstadt.

Der ganze Bereich umfasst die Lützow Straße 5 – 44, Nikolausstraße 1+2, Rastatter Straße 88 – 100 und Riedstraße 13. 2019 wurde die gesamte Hausgruppe um ein neues Haus neben Nikolaus Straße 1 erweitert, mit der Hausnummer 1a. An dieser Stelle war im Bebauungsplan von 1920 schon ein Haus vorgesehen, konnte aber aus Kostengründen und fehlendem Baumaterial damals nicht ausgeführt werden.